Wie können wir uns über unsere Arbeit austauschen, ohne dass es sich nach Arbeit anfühlt? Ausgehend von dieser Frage haben wir, Anna und Petra, vom 17. bis 19. November 2022 auf dem NO LIMITS Disability and Performing Arts Festival in Berlin Verbindungen zwischen Theatermacher*innen mit und ohne Behinderungserfahrung hergestellt und am Treffen des Bündnisses PERSPEKTIV:WECHSEL teilgenommen. Wir haben Zukunftsvisionen aus unbeschriebenen Blättern geformt, den Dokumentationsfilm der SPURENSUCHE – dem Festival freier Kinder- und Jugendtheater in Deutschland – geschaut, über künstlerische Hausbesetzungen diskutiert und uns beim Großen Fressen ausgetauscht.
In seiner zehnten Ausgabe als Deutschlands größtes und wichtigstes Festival für Disability & Performing Arts, bot NO LIMITS in diesem Jahr zum ersten Mal das Austausch-programm COME TOGEHTER an. Tandems aus Künstler*innen mit je einer Person mit und einer Person ohne die Erfahrung behindert zu sein, waren eingeladen, das Festival zu besuchen, gemeinsam Inszenierungen zu schauen und in Austausch über die eigene Arbeit zu kommen. An zwei Nachmittagen sind wir mit ihnen den Fragen nachgegangen: Wie arbeite ich am liebsten im Ensemble? Was finde ich spannend? Und was wünsche ich mir für die Arbeit am Theater? Über Positionierungsübungen haben wir uns als Gruppe näher kennengelernt und erste Vorlieben, Gemeinsamkeiten und Unterschiede entdeckt. Mit dem Unbeschriebenen Blatt haben die Teilnehmenden dann Schwerpunkte für das eigene Arbeiten entwickelt: jede*r kommt mit eigenen Ecken und Kanten, die Arbeit soll kreativ und wild sein, aber auch immer wieder Ruhephasen, klare Linien und Struktur beinhalten. Und ein Haufen Papierschnipsel kann sich immer wieder neu formen und neue Wege bereiten…
Auch das Bündnis PERSPEKTIV:WECHSEL hat sich mit dem eigenen Arbeiten und seinen Strukturen auseinandergesetzt. Es war eine Freude, als Mitglied des Bündnisses die Kolleg*innen zum ersten Mal seit der Spurensuche im Juni 2022 wieder zu treffen und gemeinsam den Dokumentationsfilm über das Arbeitstreffen der Freien Kinder- und Jugendtheater in Deutschland von René Stoof und seinem Team zu sehen. Er macht deutlich: Wir stecken mitten in Veränderungsprozessen, doch noch passiert zu wenig. Für eine wirklich inklusive Kinder- und Jugendtheaterlandschaft muss sich noch viel bewegen – in den Theatern und vor allem in den Förderungen, denn sie bestimmen maßgeblich, wieviel Gebärdensprachdolmetschung, Audiodeskription und andere Unterstützung in welchem Umfang möglich sind.
Umso spannender war es, sich über die künstlerischen Hausbesetzungen auszutauschen. Die Hausbesetzungen bieten den einzelnen Bündnispartner*innen finanzielle Unterstützung, die eigene Arbeit inklusiver zu gestalten: sich von Künstler*innen marginalisierter Gruppen „besetzen“ zu lassen und in der Zusammenarbeit neue Perspektiven für ein Theater für junges Publikum zu finden, das gesellschaftliche Vielfalt zukünftig stärker abbildet und integriert. Geplant sind unter anderem Projekte, die Theaterinszenierungen mit gehörlosen und hörenden Darsteller*innen umsetzen, interne Entscheidungsstrukturen und Machtpositionen hinterfragen und bearbeiten – und unsere eigene Hausbesetzung, mit der wir als GDG unsere Formate langfristig für sehbehinderte Gäste zugänglich machen wollen.
Beim Großen Fressen sind schließlich die Teilnehmer*innen von COME TOGETHER und PERSPEKTIV:WECHSEL an einer gemeinsamen Tafel zusammengekommen. Beim Zubereiten verschiedener Kürbissuppen und beim gemeinsamen Schlemmen konnte sich kennengelernt und ausgetauscht werden – ohne dass es sich nach Arbeit anfühlt.
Vielen Dank an alle Beteiligten, die dieses Festival, diesen Austausch und diese wunderbaren Begegnungen möglich gemacht haben! Wir sind gefüllt mit jeder Menge Herzlichkeit, Optimismus und Lust auf mehr und freuen uns über die wertvollen Kontakte zu NO LIMITS, Blaumeier Atelier Bremen, Tanzbar Bremen, Meine Damen und Herren, Theater Thikwa, Münchner Kammerspiele, I can be your translator, GRIPS-Theater und unseren Bündnispartner*innen von PERSPEKTIV:WECHSEL!