Freitag Abend zur Prime-Time adaptierten wir unser Format „Die Preisverleihung“ zum ersten mal für den digitalen Raum. Anlass war uns die Fülle und Vielfalt an Selbstinszeniergungsstrategien der Theaterlandschaft, die die Corona-Krise hervorbringt.
Die Preisverleihung wurde erfunden, um offen und ehrlich über Aufführungen auf Festivals zu sprechen – um Abseitiges ins Rampenlicht zu rücken und das hierarchische Prinzip von Preisverleihungen ad absurdum zu führen. Wir reden in diesem Showformat rein subjektiv und nehmen uns das Recht dazu aus der gemeinsamen Zeit, die wir mit den Spielenden auf einem Festival verbringen. So wie sie sich auf der Bühne exponieren, machen auch wir uns angreifbar. In Zeiten von Corona gibt es diese Gemeinschaft nicht. Die Spielenden, über deren Videos wir redeten, waren (in den meisten Fällen) nicht in unserem digitalen Raum. Aber: Wir sind zumindest die Zielgruppe ihrer Selbstinszenierungen. Zumindest glauben wir das. Wir haben so offen und ehrlich miteinander geredet, wie wir es auch in einer WG-Küche getan hätten – aber wir waren uns auch bewusst, dass die aktuelle Situation für viele Kunstschaffende eine existentielle Notlage ist.
Diese Preisverleihung war also ein Versuch.
Vor Corona sollte die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Theatern uns animieren diese aufzusuchen, jetzt suchen uns die Theater zuhause heim. Was macht diese Kontextveränderung mit den Inhalten der Öffentlichkeitsarbeit? Was passiert wenn die nächste Küchentischlesung in meinem Feed von Statusmeldungen politischer Parteien und Katzenvideos gerahmt wird? Um sich diesen und weiteren Fragen zu beschäftigen haben wir der Preisverleihung ein Interview mit der ÖA Expertin Ruth Hundsdoerfer vorangestellt.
Wie hat sich die Arbeit in den ÖA Abteilungen seit Corona verändert? Wird die scheinbare Überproduktion an Content durch einen inneren Drang oder durch einen äußeren Druck (z.B. durch Förderinstitutionen etc.) motiviert? Können die Angebote auf den Social Media Kanälen als eine Inszenierung von Arbeit begriffen werden? Und woher kommt die Entscheidung in den aktuellen ÖA Veröffentlichungen dezidiert die Privatheit von Mitarbeiter*innen der Theater zu inszenieren?
Aus dem Gespräch und dem innerhalb der Preisverleihung eingesetzten Joker ließen sich folgen 5 Tipps und Tricks zum Verfassen eines gelungenen Theaterpost in Zeiten von Corona extrahieren:
1 – Frage dich: Warum will ich das machen?
2 – Frage dich: Für wen?
3 – Halt es kurz!
4 – Finde gutes visuelles Material dazu. Und das gerne auch im richtigen Format für deine Plattform.
5 – Leichtigkeit trotz Krise
Die Zuschauenden konnten garnicht genug von Ruth Hundsdoerfer bekommen. Sie skandierten: Es braucht einen Preis für Ruth! Sie forderten: Ruth, bitte bitte komm an unser Theater! Sie zogen Zwischenbilanz: Unglaublich sympathisch.
Diese Preise wurden offiziell während der 1. digitalen Preisverleihung der Geheimen Dramaturgischen Gesellschaft zu Selbstinszenierungsstrategien von Theatern in Zeiten von Corona verliehen:
Preis für den ausgefallensten Hashtag – #knallerballerweg
Preis für die erfrischenste Kürze – Der Virus im Schaufenster
Preis für den besten Lichteffekt – Die scharfe Kanten im Gesicht von Sandra Hüller als Hamlet.
Preis für den besten Cameo-Auftritt – Jesus aus Bochum
Preis für den überraschensten Moment – An den Pinguin aus Magdeburg und seine Freunde mit den drolligen Augen
Preis für den lonlyest moment – Die einsame Frau im Moerser Park
Preis für den besten Effekt – Das Einschleusen eines relevanten Spendenaufrufs in den Blog des DT Berlin
Preis „Das Video würde ich mir nocheinmal ansehen“ – Das Stellwerk Weimar, das Rapunzel mit Objekten und Gebärdensprache im Splitscreen erzählt
Wir haben nicht nur Preise in 8 Kategorien vergeben. Das Publikum vor seinen Bildschirmen hat auch genügend Material gefunden um unser Format mit den verschiedensten Preisen auszuzeichnen:
Preis für ungewollteste Intervention – Mr Moe!!!
Preis für indirekte Beleuchtung – Stephan Mahn
Preis für schönste kulturwissenschaftliche Formulierung – Stephan Mahn
Preis für Selbstinzenierung mit Zigarette – Stephan
Preis für das schönste Schlusswort – Ruth
Und zum Abschluss noch ein paar Zuschauendenstimmen aus dem Chat:
20:39:05 ihr seid GOLD!!
20:50:56 Ich will den Link zu diesem Video!
20:56:19 Ein Format, dass ich mir super auf den Social-Media-Kanälen der GDG vorstellen kann: Nacherzählte Social-media-Videos anderer Theater in 30 Sekunden
20:56:39 Schon auch beeindruckend, wie viel Social Media Beiträge sich die Drei gegeben haben
21:30:02 Großes Kino. Theater. Danke euch!
Wir sagen vielen Dank und Herzlichen Glückwunsch an alle Preisträger*innen!