Ich vermisse Theater. Ich vermisse die gemeinsame Raumerfahrung, die unruhige, erwartungsvolle Spannung bevor es los geht, bekannte Gesichter zu treffen und alleine in der Zuschauer*innengruppe unterzugehen, wenn das Licht schummriger wird. Ich vermisse Staubpartikel im Scheinwerferlicht, Sätze, die auf der Bühne und in meinem Kopf nachhallen, Körper, die vor mir, neben mir, hinter mir aktiv sind, atmen, reagieren, zuhören, arbeiten. Ich vermisse schöne Menschen, die an der Bar im Foyer stehen und im Nachgespräch schlaue Sachen sagen und wichtige Fragen stellen. Ich vermisse Auseinandersetzung, mit mir, mit anderen.
Freitag Abend zur Prime-Time adaptierten wir unser Format „Die Preisverleihung“ zum ersten mal für den digitalen Raum. Anlass war uns die Fülle und Vielfalt an Selbstinszeniergungsstrategien der Theaterlandschaft, die die Corona-Krise hervorbringt.
Die Preisverleihung wurde erfunden, um offen und ehrlich über Aufführungen auf Festivals zu sprechen – um Abseitiges ins Rampenlicht zu rücken und das hierarchische Prinzip von Preisverleihungen ad absurdum zu führen. Wir reden in diesem Showformat rein subjektiv und nehmen uns das Recht dazu aus der gemeinsamen Zeit, die wir mit den Spielenden auf einem Festival verbringen. So wie sie sich auf der Bühne exponieren, machen auch wir uns angreifbar. In Zeiten von Corona gibt es diese Gemeinschaft nicht. Die Spielenden, über deren Videos wir redeten, waren (in den meisten Fällen) nicht in unserem digitalen Raum. Aber: Wir sind zumindest die Zielgruppe ihrer Selbstinszenierungen. Zumindest glauben wir das. Wir haben so offen und ehrlich miteinander geredet, wie wir es auch in einer WG-Küche getan hätten – aber wir waren uns auch bewusst, dass die aktuelle Situation für viele Kunstschaffende eine existentielle Notlage ist.
Bereits zum dritten Mal war die
GDG Teil des Avant Art Festivals der freien Thüringer Theaterszene. Zwei
professionelle und drei Amateur-Produktionen waren eingeladen, ihre
Inszenierungen im art der stadt in Gotha zu zeigen.
Ein großer Teil des Festivals fand
im „Fundament“ statt, der gerade entstehenden Spielstätte des theaters der
stadt. Damit bekam auch unser Basislager dort sein Zuhause, inklusive gemaltem
Wohnzimmer mit Kamin, falschem Tierfell und flackerndem LED-Feuer. Da der Raum
Stück für Stück renoviert wird, durften das Publikum und wir alle unfertigen
Wände direkt bemalen, beschreiben und bekleben. So wurde auf die Frage „Was
unterscheidet Profis von Amateuren?“ einfach mit Edding auf dem Kalk geantwortet
und neue Themenvorschläge in der Sprechblase „Ich will über … reden“
angebracht. Außerdem verstärkten eine Tag-und-Nacht-Kaffee-Station sowie eine
rege Kreidestift-auf-den-Toiletten-Diskussion das Basislager. Am Samstag luden
wir zu einem Long Table unter der Frage „Was kann/muss ein Festival?“.
Beim Avant Art werden vor Ort ein
Jury- und ein Publikumspreis vergeben. Nach der letzten Aufführung konnte bei
uns auf die Preisträger*innen gewettet werden. Unter dem weithin vernehmbaren
Ruf „Wetten, Wetten, Wetten! Fun, Fun, Pfand!“ wuchs die Bieramide der
gesetzten Bierdosen (es lag übrigens nur eine Person mit ihrer Prophezeiung
richtig). Parallel baten wir die Festivalgemeinschaft nach neuen
Preiskategorien und verteilten schließlich während der offiziellen
Preisverleihung auf Grundlage dessen fünf Auszeichnungen, dotiert mit jeweils
25 ct (ein Dosenpfand) an die eingeladenen Inszenierungen.
Beste Fitness: „Verwandlung“
(Greizer Theaterherbst)
Beste Tierdarstellung durch
Menschen: „Hundegrenze“ (Studio 44 Nordhausen)
Klarste Farben: „Antrag
abgelehnt“ (theater der stadt gotha)
Alle 30 Themen unserer Zeit mit
drin: „Konsequenzen“ (Tanztheater Erfurt)
Schimpfwortfülle: „Alice in
Runwayland“ (stellwerk Weimar)
Wir bedanken uns, auch in diesem Jahr wieder Teil des Avant Art Festivals gewesen sein zu dürfen und blicken gespannt auf die weiteren Entwicklungen der freien Thüringer Theaterszene.
Preiskategorien und die zugehörigen Preisträger_innen unserer Preisverleihung auf dem WILDWECHSEL, Kinder- und Jugendtheaterfestival der Länder Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin, 2015 in Weimar:
Preiskategorien und die zugehörigen Preisträger_innen unserer Preisverleihung auf dem Avant Art – Festival Thüringer Theaterpreis 2014 in Rudolstadt: