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Woche für nicht-infektiöse Begegnungsformate

Desperate Housewatch zum Sonntagstatort – Schneller als alle Bullen zusammen

Es ist Sonntagabend, 20.15 Uhr, Tatort-Zeit. Heute aus Frankfurt. Wir haben einen digitalen Livechat eingerichtet. Und ab 20.15 Uhr scheint mein Handy zu explodieren. Über 90 Minuten lang (mit Vor- und Nachgeplänkel) bombardiert unser digitales Kommissariat mein Handydisplay, beschuldigt Verdächtige, konstruiert Tatmotive und prophezeit die absurdesten, aber wohl nicht unwahrscheinlichsten Falllösungen. Ein Wort gibt das Andere, im Bruchteil von Sekunden ermitteln wir über Umfragen Täterprofile (War ers? – Runde 1 -3), fachsimpeln über Rechtsphilosophie ( Sind wir die Guten (55%) oder die Bösen (45%)?) und ergründen unser Straftatenpotential (nie mehr durchschlafen (83%) oder einen Mord begehen (17%)?).

Im Sekundentakt werden unsere wohnzimmerigen Einsatzstellen präsentiert, sich zugeprostet, Kulissen analysiert und Dialoge weiter gesponnen. Ich bin so damit beschäftigt dem Chat zu folgen, dass mich die Kommissare in Frankfurt schon längst verloren haben. Ist auch nicht schlimm, im Chat erfahre ich ja eh alles was passiert, und hier ist die Stimmung deutlich besser als bei den Kolleg*innen am Main. Offensichtlich gehört es zum allgemeinen Krimivergnügen, den Ermittlungen wie bei einem Sportevent ordentlich zuzujubeln oder sich zu empören. War mir gar nicht so klar, wie viele Emotionen ich da bis jetzt immer so stillschweigend durchlebt habe.

Um 22 Uhr bin ich aufgedreht wie selten nach meinem üblichen Sonntagsritual. War das jetzt eigentlich Schwarmintelligenz? Oder eher Rinderwahnsinn? Und wer war nochmal der Mörder?